Adipositas: Gewichtiges Problem mit Anlagechancen
Egal wo auf der Welt, die Menschen werden immer schwerer. Das stellt das Gesundheitswesen vor gewichtige Probleme. Gleichzeitig tun sich Anlagechancen auf – eine Einschätzung.
Text: Dr. Jürgen Siemer und Dr. Gerhard Wagner
Kürzlich fand der Welt-Adipositas-Tag statt, an dem auch die Prognosen bis 2035 über die von Fettleibigkeit Betroffenen und die damit verbundenen wirtschaftlichen Kosten aktualisiert wurden. Die Zahlen fallen ins Gewicht:
- Weltweit werden 1,9 Milliarden Menschen fettleibig sein. Derzeit sind rund 1 Milliarde Menschen betroffen.
- Die globalen wirtschaftlichen Kosten belaufen sich auf USD 4,32 Billionen.
- Die Anzahl fettleibiger Kinder wird sich zwischen 2020 bis 2035 auf 383 Millionen mehr als verdoppeln.
Fettleibigkeit oder Adipositas definiert die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ab einem Body-Mass-index (BMI) von über 30, Übergewicht ab einem BMI zwischen 25 und 30. Die relative Zunahme an von Übergewicht und Adipositas Betroffenen ist ein globales Phänomen. Spitzenreiter sind Mexiko, Chile und die USA. Rund drei von vier Erwachsenen sind dort übergewichtig oder fettleibig.
Hierzulande sind laut dem Bundesamt für Gesundheit rund 42 Prozent der erwachsenen Bevölkerung übergewichtig, davon sind 11 Prozent adipös. Zum Vergleich: 1992 war der Anteil an Adipositas-Erkrankten halb so gross.
Physische und psychische Gesundheit unter Druck
Übergewicht und Fettleibigkeit können zu einer Vielzahl von Folgeerkrankungen führen, von Stoffwechselerkrankungen, zum Beispiel Diabetes, über Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems, wie etwa Bluthochdruck und Schlaganfälle, bis hin zu Arthrosen. Zudem können Lebensqualität und das allgemeine Wohlbefinden der Betroffenen stark beeinträchtigt sein. Oft leidet das Selbstwertgefühl und das Risiko psychischer Erkrankungen kann sich erhöhen.
Folgen für Gesundheit und Gesellschaft
Die volkswirtschaftlichen Kosten sind enorm: So haben Cawley et al. die direkten Behandlungskosten der Fettleibigkeit in den USA für das Jahre 2016 auf USD 260 Milliarden geschätzt, was damals knapp 10 Prozent der gesamten Ausgaben für «personal health care spending» entsprochen habe. Hinzu kämen indirekte, jedoch kaum quantifizierbare Effekte aus der verminderten Produktivität von Arbeitskräften. In der EU betragen die direkten mit Adipositas assoziierten Gesundheitskosten Schätzungen zufolge bereits 7 Prozent der gesamten Gesundheitsausgaben.
Neue Medikamente lassen Pfunde purzeln
Auf die gesundheitsgefährdende Gewichtszunahme und deren Folgeerkrankungen antwortet die Pharmabranche mit Medikamenten. Nun steht eine neue Klasse von Medikamenten, die sogenannten GLP-1-Wirkstoffe, zur Verfügung. GLP-1 steht für Glucagon-like Peptide-1. Dabei handelt es sich um ein natürliches Darmhormon, das dem Gehirn sendet «ich bin satt». Findige Pharmafirmen haben die Haltbarkeit dieses Darmhormons nun künstlich verlängert. Das Sättigungsgefühl hält also länger an, die Kalorienzufuhr nimmt ab und damit auch das Körpergewicht. Die beiden ersten Medikamente zur Behandlung von Fettleibigkeit sind das bereits zugelassene Wegovy von Novo Nordisk, dessen Diabetes-Version in der Schweiz unter dem Markennamen «Ozempic» vertrieben wird, und das Diabetes-Mittel Mounjaro von Eli Lilly, welches in Kürze in den USA auch zur Behandlung von Fettleibigkeit bewilligt werden dürfte. Basierend auf verschiedenen Studien wird erwartet, dass diese Medikamente je nach Dosis und dem Ausgangsgewicht der Patientinnen und Patienten Gewichtsabnahmen über einen Zeitraum von 68 bzw. 72 Wochen von 12 bis 22 Prozent bewirken. In diesem Zusammenhang weisen wir darauf hin, dass Risiken und Nebenwirkungen mit einem Arzt zu besprechen sind.
Markt mit attraktiven Wachstumsraten
Das Marktwachstum zur Behandlung von Übergewicht und Fettleibigkeit ist enorm. Wir sehen eine realistische Chance, dass der globale Markt für GLP-1-Medikamente zur Behandlung von Fettleibigkeit und Übergewicht von aktuell schätzungsweise unter USD 10 Milliarden auf über USD 100 Milliarden pro Jahr wachsen könnte.
Wegovy von Novo Nordisk und Mounjaro von Eli Lilly könnten zu den weltweit umsatzstärksten Medikamenten werden. Risiken für Novo Nordisk und Eli Lilly sehen wir vor allem im Auftreten neuer Wettbewerber mit vielleicht noch effektiveren Produkten.
Auf potenzielle Stolpersteine achten
Nichtsdestotrotz benötigt die Erschliessung dieses attraktiven Marktes Zeit. So sind zum Beispiel Fragen zur Finanzierung durch Krankenkassen noch nicht abschliessend beantwortet, und es müssen weitere Produktionskapazitäten aufgebaut werden. Wir werden die entsprechenden Entwicklungen daher eng verfolgen. Nicht zuletzt, weil diese Medikamente, idealerweise im Zusammenspiel mit mehr Bewegung und gesunder Ernährung, einen nachhaltigen Beitrag zur Senkung der Gesundheitskosten leisten können.
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