Verlustrisiko reduzieren? Zwei Strategien im Fokus

Anlegerinnen und Anleger stehen zuweilen vor der Situation, Portfolio-Risiken reduzieren zu wollen. Der Weg kann sowohl über den Verkauf von Aktien führen als auch über eine Absicherung mittels Optionen. Doch welcher ist besser?

Claude Hess

Die Wahl der Absicherungsstrategie hängt auch von der erwarteten Marktvolatilität ab (Bild: Zürcher Kantonalbank).

Wer die Risiken in einem Anlageportfolio senken möchte, kann den traditionellen Weg wählen: Dieser sieht vor, Aktien zu verkaufen und im Gegenzug in risikoärmere Anlagen wie Obligationen zu investieren. Wir nennen diese Strategie im Weiteren «Reduce». Doch es existiert noch ein anderer Weg: Hier bleibt die Aktienquote im Portfolio gleich, sie wird aber mit Put-Optionen abgesichert. Diese Strategie nennen wir «Protect».

Aufschlussreicher Blick in die Vergangenheit

Im Folgenden wird anhand einer historischen Analyse gezeigt, wie sich die beiden Absicherungsstrategien seit 2006 ausgewirkt haben. An jedem Quartalsende wurde die Performance der beiden Strategien gemessen. Ausgangslage bilden nachfolgende Prämissen:

  • Der Einfachheit halber betrachten wir ein gemischtes Portfolio mit 45% Aktien (S&P 500 Index (TR) in USD) und 55% Staatsobligationen (ICE BofA US Treasury Index (TR) in USD).
  • Bei der Variante «Reduce» wird die Aktienquote um 10 Prozentpunkte verringert und die Obligationenquote um den gleichen Wert erhöht.
  • Die Variante «Protect» besteht aus dem quartalsweisen Kauf einer Put-Option auf den S&P-500-Index mit einem Ausübungspreis bei 90% für die gesamte Aktien­quote von 45%. Bei dieser Variante werden die Kosten der Optionsprämie berücksichtigt sowie der ausbezahlte Betrag, wenn die Option ihre Schutz­wirkung erbringt.

Die folgende Grafik zeigt einen Performancevergleich der beiden Strategien über die Zeiträume von Juni 2006 bis Ende 2016 und Anfang 2017 bis Juni 2024.

Performance «Reduce» vs. «Protect» relative zu Basisportfolio, Quelle: Bloomberg, eigene Berechnungen

Die Erkenntnisse: Beide Strategien erzielten im analysierten Zeitraum eine negative relative Performance. Dies ist nicht erstaunlich, da beide Strategien das Portfolio-Risiko reduzieren und ein geringeres Risiko langfristig mit einer relativ tieferen Performance einhergeht. Auffällig ist zudem der unterschiedliche Verlauf der beiden Strategien im ersten (2006-2016) und im zweiten Zeitraum (2017-2024). Während im ersten Zeitraum die Risikoreduktion mit «Reduce» besser rentierte als mit «Protect», war es im zweiten Zeitraum umgekehrt. Woran liegt das?

  1. Aktienmarktvolatilität: Die Grafik zeigt auch die Options­prämien, um 100% Aktien für ein Quartal mit einem 90%-Put abzusichern (rechte Skala). Die Höhe der Prämie hängt von der Aktien­markt­volatilität ab, die z.B. während der Finanz­krise von 2008 oder der Covid-Krise von 2020 besonders hoch war. Im ersten Zeitraum waren die Prämien mit einem Durchschnitt von 1,24% (basierend auf 100% Aktien) höher als im zweiten Zeitraum mit 1,14%. Dadurch fielen die Kosten für die «Protect»-Strategie im ersten Zeitraum etwas höher aus als im zweiten Zeitraum.
  2. Korrelation: Die bessere Performance der Strategie «Protect» im zweiten Zeit­raum ist auch auf die veränderte Korrelation von Aktien und Obligationen zurück­zuführen. Diese betrug von 2006 bis 2016 -0,6 (mit Quartalsdaten). Damals boten Obligationen eine wirksame Diversifikation zu Aktien. Seit 2017 betrug die Korrelation zwischen Aktien und Obligationen 0. Fallende Aktienkurse konnten somit nicht mehr im gleichen Ausmass mit Gewinnen auf Obligationen kompen­siert werden. Dies steigerte die Attraktivität der «Protect»-Strategie gegenüber «Reduce».
  3. Veränderung des Zinsniveaus: Im ersten Zeitraum sind die Zinsen deutlich gefallen und im zweiten wieder angestiegen. So lag die 10-Jahres-Rendite von US-Staats­anleihen Ende Juni 2006 bei 5,14% und fiel bis Ende 2016 auf 2,44%. Anschliessend stieg sie bis Juni 2024 wieder auf 4,40%. Dies bedeute eine bessere durchschnittliche Performance von US-Staatsanleihen im ersten Zeitraum (4,26% p.a.) gegenüber dem zweiten (0,65% p.a.), was die Strategie «Reduce» mit der Umschichtung von Aktien in Obligationen von 2006 bis 2016 relativ attraktiver machte.

Wie schützen die Strategien in der Krise?

Wir haben die Reduktion der Aktienquote so gewählt, dass die beiden Strategien «Reduce» und «Protect» etwa gleich riskant sind. Dabei haben wir neben der Vola­tilität der Renditen auch den maximalen Verlust berücksichtigt, der mit der Strategie «Protect» geringer sein sollte als bei der Strategie «Reduce». Denn während mit «Reduce» die Häufigkeit von kleinen Verlusten reduziert wird, werden mit «Protect» v.a. die grossen Verluste (Tail-Risk-Events) gemindert. Die folgende Tabelle zeigt die Rendite- und Risikokennzahlen eines gemischten Portfolios mit und ohne Absicherung zu Zeiten der Finanz- und Covidkrise. Dabei wurde jeweils das verlustreichste Quartal während der beiden Krisen gewählt.

Kennzahl

Ohne Absicherung

mit «Reduce»

mit «Protect»

Rendite Q4 2008 (Finanz-Krise)

-5%

-1.9%

-0.7%

Rendite Q1 2020 (Covid-Krise)

-4%

-1.2%

+0.1%

Volatilität p.a. (2006-2024)

7.1%

5.8%

6.3%

Fazit

Die Entscheidung über «Reduce» oder «Protect» ist von den jeweiligen Erwartungen und Präferenzen der Anlegerinnen und Anleger abhängig. Grundsätzlich lässt sich sagen:

«Reduce» ist vorteilhafter für jene, die

  • in Zukunft eine hohe Volatilität (=hohe Absicherungskosten), aber keine Tail-Risk-Events erwarten,
  • von einer inskünftig hohen Schutzwirkung von Obligationen und fallenden Zinsen ausgehen
  • auch kleinere Verluste weniger häufig erleiden möchten,
  • eine Partizipation an positiven Aktienmärkten nicht als oberste Priorität ansehen,
  • keinen Einsatz von Derivaten wünschen.

«Protect» ist vorteilhafter für jene, die

  • in Zukunft eine tiefe Aktienmarktvolatilität (=geringe Absicherungskosten), aber häufigere Tail-Risk-Events erwarten,
  • von einer inskünftig geringeren Schutzwirkung von Obligationen und steigenden Zinsen ausgehen,
  • weiterhin im vollen Umfang an positiven Aktienmärkten partizipieren möchten (nach Abzug der Optionsprämie),
  • vor allem einen Schutz vor sehr hohen Aktienverlusten (Tail-Risk-Events) wünschen, kleinere Verluste aber weiterhin selbst tragen können,
  • die Bereitschaft haben, Derivate einzusetzen.


Anmerkung: Bei der Absicherungsstrategie «Protect» handelt es ich um ein einfaches Beispiel. Die Absicherungsstrategie mit Put-Optionen lässt sich weiter optimieren z.B. durch eine geeignetere Wahl der Laufzeiten und einer Staffelung der Optionskäufe, so dass mehrere Optionen mit unterschiedlichen Laufzeiten aktiviert sind. Zudem ist in der Praxis auch die Absicherung anderer Aktienmärkte (z.B. Swiss Market Index, Euro STOXX 50 oder Nikkei 225) möglich.

Swisscanto-Fonds mit Absicherung auf einen Blick

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Aktien Anlagestrategie