Investment­thema Klima: Der Strommarkt vor dem Wende­punkt

Für das Jahr 2025 wird erwartet, dass erneuerbare Energien erstmals mehr Strom erzeugen als Kohlekraft­werke. Derweil könnte die Strom­nachfrage in den nächsten Jahrzehnten schneller wachsen als die Weltwirtschaft. In der ersten Ausgabe des «Themenfonds Talk» erklärt Senior Portfolio­manager Dr. Gerhard Wagner, warum dies für Investments in das Thema Klima spannend sein kann.

Interview mit Gerhard Wagner

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Dr. Gerhard Wagner (rechts), Senior Portfoliomanager, im Gespräch mit Samuel Gerber (Bild: ZKB).

Im Jahr 2025 wird in Hinblick auf die Dekarbonisierung der Strom­erzeugung ein wichtiger Meilen­stein erreicht. So stieg laut der Internationalen Energieagentur (IEA) der Anteil der erneuerbaren Energien an der weltweiten Strom­versorgung bis 2023 auf 30% an. Bis 2025 dürften die Erneuerbaren voraussichtlich 35% erreichen.

Gleichzeitig erwartet die IAE, dass die Abhängigkeit von der Kohle abnimmt und ihr Anteil im gleichen Zeitraum von 36% auf 33% sinkt: Erstmals dürfte damit Kohle hinter die erneuerbaren Energien zurückfallen (siehe Grafik unten).

Globale Entwicklung bei verschiedenen Stromerzeugungs-Technologien, 2014-2025e

Entwicklung in Terawattstunden (TWh), gestrichelte Linien sind Schätzungen

Quelle: "Global electricity generation by source, 2014-2025 – Charts – Data & Statistics - IEA", www.iea.org

An der Spitze dieses technologischen Wandels stehen die Solar- und Wind­energie. Ihr gemeinsamer Anteil dürfte von 13% im Jahr 2023 auf 15% 2024 und auf 18% im Jahr 2025 steigen. Die IEA erwartet, dass die Wind- und PV-Erzeugung zusammen zusätzliche 750 Terrawatt-Stunden (TWh) im Jahr 2024 und ein Jahr später bereits mehr als 900 TWh liefern werden. Der jährliche Anstieg im Jahr 2025 kommt dem gesamten Strom­bedarf von Frankreich und Italien gleich. Zum Vergleich: Im globalen Massstab entspricht die Strom­erzeugung mit erneuerbaren Energien ungefähr der Strom­nachfrage von China.

Bedarf könnte sich bis 2050 verdoppeln

Der weltweite Strom­bedarf nimmt dabei stetig zu, allein seit 2010 durch­schnittlich um knapp 3% pro Jahr. Ein Ende des Trends ist nicht in Sicht: Bis ins Jahr 2050 wird sich die Strom­nachfrage gemäss der IEA ver­doppeln oder gar ver­dreifachen, was einem jährlichen Wachstum von 3 bis 4,5% entspricht. Vermutlich wächst die Strom­nachfrage damit stärker als die Welt­wirtschaft.

Für rund ein Drittel der globalen Strom­nachfrage ist mittler­weile China ver­antwortlich (siehe Grafik unten). Dort ist der Strom­bedarf bis 2023 jährlich um rund 6% gestiegen. Der Pro-Kopf-Strom­verbrauch in der Volks­republik übertrifft bereits seit Ende 2022 jenen der Europäischen Union übertrifft. Zusammen mit der zunehmenden Elektrifizierung erwartet die IEA, dass die Strom­nachfrage in China und Indien von 2024 bis 2025 zwischen 6 und 7% steigen wird. Trotz des starken prozentualen Wachstums in beiden Ländern wird China in den nächsten drei Jahren mengen­mässig den grössten Anteil am Nachfrage­wachstum haben.

Stromnachfrage von China, Indien, den USA und der EU

Entwicklung in TWh, gestrichelte Linien sind Schätzungen

Quelle: "Electricity demand in selected regions, 1991-2025 – Charts – Data & Statistics – IEA", www.iea.org, gestrichelte Werte sind Schätzungen

Derweil dürfte der Hunger nach Elektrizität auch in Europa und den USA zunehmen, dies aufgrund der Elektrifizierung neuer Bereiche wie Transport oder Heizung. Ebenfalls benötigen die Daten­zentren, die aufgrund des Booms der Künstlichen Intelligenz (KI) ein rasantes Wachstum erleben, viel Strom.

Anteil der Verstromung von Kohle könnte sinken

Die weltweite zusätzliche Strom­nachfrage konnte in der Vergangenheit nicht ohne fossile Energie­träger gedeckt werden. Insbesondere in Ländern wie China und Indien wurden neue fossile Kraftwerke gebaut. Hier kommt es 2025 vermutlich zu einem weiteren Wendepunkt: Die durchschnittliche zusätzliche, globale Strom­erzeugungs­kapazität kommt ausschliesslich aus erneuerbaren Energien und Kernenergie. Ob dies auf ein bedeutendes Comeback von der von Wind und Wetter unabhängigen Kern­kraft hinausläuft, muss sich weisen: Gemäss der IEA wird sich die Strom­erzeugung aus Kern­energie bis 2050 vermutlich verdoppeln. Im gleichen Zeitraum dürfte sich diesen Schätzungen zufolge der Beitrag aus Erneuerbaren Energien vervierfachen.

Hingegen wird die Verstromung von Kohle gemäss der IEA leicht sinken. Bemerkens­wert ist, dass diese Aussage auch für China allein gilt. Das Reich der Mitte wird im Jahr 2025 ungefähr 700 TWH mehr Strom erzeugen als 2024, wobei dies allein mit kohlen­stoff­armen Technologien umgesetzt werden sollte.

Ein wesentlicher Treiber dieser Entwicklung sind die Kosten. So lagen die Strom­gestehungs­­kosten für neue Kraftwerke in China im Jahr 2022 im Bereich «Wind Onshore» bei USD 45 pro Megawatt-Stunden (MWh), bei Solar PV bei 50 US-Dollar pro MWh. Im Vergleich dazu war die Kohle­verstromung mit 65 US-Dollar pro MWh wesentlich teurer (Quelle: IEA World Energy Outlook 2023).

Fazit:

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die zunehmende Strom­nachfrage über die vergangenen Jahre alles in allem durch neue Kapazitäten bei den erneuerbaren Energien abgedeckt werden konnte. Über die vergangenen zehn Jahre stieg die Strom­nachfrage in China und das globale Angebot aus erneuerbaren Energien um jeweils ca. 5'000 TWh. Dies ist aus Sicht des Klima­schutzes eine beachtliche Leistung.

Wenn aber der Strom­erzeugungs­sektor tatsächlich dekarbonisiert werden soll, braucht es weitere Anstrengungen, damit die bestehenden fossilen Kraft­werke weniger in Betrieb sind – auch wenn sie in vielen Fällen weiterhin als Reserve­kapazitäten benötigt werden. Die kohlen­stoff­armen Energien müssen zukünftig nicht nur die zusätzliche Nachfrage abdecken, sondern auch die beste­henden fossilen Kraftwerke ersetzen. Nur so lassen sich die CO2-Emissionen senken, was dringend geboten ist, wenn das Klima­schutzziel von Paris noch erreicht werden soll.

Für Anlegerinnen und Anleger, die am nachhaltigen Investmentthema Klima interes­siert sind, können sich dadurch interessante Investment­chancen im Bereich der erneuerbaren Energien ergeben. Diese sind an vielen Standorten inzwischen günstiger sind als die Alternativen. Anleger müssen aber bei den er­neuer­baren Energien die Kapital­renditen im Blick haben. Aktuell sind diese bei vielen Unter­nehmen tief, in der Folge verdienen diese Firmen oftmals ihre Kapital­kosten nicht. Unter diesem Gesichtspunkt gerät der notwendige Netzausbau in den Blick: Die Wachstums­raten erscheinen attraktiv, und die Kapitalrenditen haben sich bisher im Regelfall als höher als bei den Erneuerbaren Energien erwiesen.

 

Das Video zum Beitrag ist Teil der Serie «Themenfonds Talk». Dieser Beitrag erscheint als überarbeitete Fassung des Swisscanto Blogs vom 2. Oktober 2024 der Autoren Gerhard Wagner und Kristijan Faltak.

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