«Inzwischen sind auch Schweizer Werte im Rennen»

Die zweite Halbzeit des Börsen­jahres 2024 hat begonnen. René Nicolodi verrät im Gespräch mit Martin Spieler, wo er die besten Anlage­chancen erwartet.

Interview mit René Nicolodi

René Nicolodi in der Sendung «Geld» über die besten Anlagechancen der nächsten Monate (Quelle: CH Media/Tele 1)

Martin Spieler: Die US-Börsen sind zuletzt phasenweise auf Rekord­stände gestiegen – wie lautet Ihre Bilanz für das erste Halbjahr?

René Nicolodi: Für Anlegerinnen und Anleger war das erste Semester sehr positiv. Von einer Welle erfreulicher Unternehmensgewinne und einer soliden Konjunktur getrieben, konnten die Aktienmärkte sehr gut performen. Auch mit Blick auf die Bewertung war die Entwicklung positiv. 2023 legten IT- und amerikanische Titel stark zu, in diesem Jahr nun auch europäische und japanische Aktien. Inzwischen sind auch Schweizer Werte im Rennen.

Wir haben aber auch immer wieder stärkere Kurs­schwankungen erlebt. Besteht nicht auch die Gefahr einer Blasenbildung?

Die Bewertungen sind mancherorts tatsächlich hoch, auch im historischen Vergleich. Ebenfalls verspüren wir eine gewisse Euphorie. Das muss ein Warnsignal für Anlegerinnen und Anleger sein, mit kurzfristigen Kurskorrekturen ist also zu rechnen. Wir würden solche Rücksetzer aber für Zukäufe nutzen, denn: die Unternehmen sind im Schnitt gesünder, weniger verschuldet und weisen gute Gewinnzahlen aus.

Also nicht etwa Gewinne mitnehmen, sondern lieber investiert bleiben?

Wir bleiben auch für die zweite Jahreshälfte konstruktiv. Eine Abkühlung der Wirtschaft ist zwar wahrscheinlich. Das ermöglicht es aber den Notenbanken, auf der Seite der Zinssenkungen flexibler zu agieren. Das ist grundsätzlich positiv sowohl für Aktien als auch für Obligationen.

Tatsächlich dürfte es bei den für gewöhnlich weniger schwankungs­anfälligen Anleihen im zweiten Halbjahr zu Kurs­veränderungen kommen. Der Grund sind die wohl sinkenden Zinsen. Erscheinen Ihnen im zweiten Halbjahr Obligationen attraktiv?

Das ist der Hauptgrund, warum wir aktuell Staatsanleihen besonders interessant finden. Wir erwarten, dass die Abkühlung der Wirtschaft noch nicht voll in den Preisen abgebildet wird. Die Zinssenkungen könnten schneller eintreffen, als dies der Markt erwartet. Vor allem europäische Staatsanleihen erachten wir deshalb als attraktiv. Bei Unternehmensanleihen sind wir hingegen vorsichtig. Dort erscheint uns das Aufwärtspotenzial limitiert.

Wie würden Sie denn die verschiedenen Anlage­klassen im zweiten Halbjahr gewichten?

Wir glauben, dass man mit einem Portfolio, das sich aus 50% Aktien, 40% Obligationen und 10% Immobilien zusammensetzt, eine positive Performance erzielen kann. Auf der Aktienseite sollte ein Fokus auf Titel aus der Schweiz, Grossbritannien und aus Schwellenländern gelegt werden.

Neben den Ländermärkten – wo sehen Sie sonst die besten Chancen?

Zu erwähnen sind sicher Schwellenländer-Anleihen. Dort ist das Zinsniveau besonders hoch, die Inflation kommt zurück. Entsprechend sind auch dort Zinssenkungen zu erwarten. Aufseiten der Aktien sehen Energiewerte günstig aus, falls es nicht zu einer Rezession kommt. Diese Werte können auch als Absicherung dienen, falls die Lage im Nahen Osten eskaliert.

Dieses Interview wurde erstmals in leicht veränderter Form in der Sendung «Geld» vom 5. Juli 2024 auf Tele 1, Tele M1 und TVO erstmals ausgestrahlt.

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